ZU DER HAUPTSEITE

 

 

INNA ZAGRAJEWSKI

Das Puppenhaus

(Aus dem Buch “Helden der Bühne”, Berlin, 2002)

 

Das große Problem im Puppentheater

ist das Problem mit den Beinchen der

Puppen–Schauspieler: ,,Was machen wir

mit den Puppen–Beinchen, verstecken oder

zeigen? "

Für die Puppen sind die Beine – der

Gegenstand des Stolzes und des Leidens.

(Aus einer Notiz des Meisters der Puppen)

___________

– Was machst du,

klein Häschen?

– Ich suche

frisches Gräschen.

– Gehe weg,

dummes Tier:

Böser Wolf ist bald

hier.,.

(Dialog aus der Vorstellung

in dem Theater der Puppen)

 

Du freust dich –

und es ist sicher –

Auf unser Puppentheater,

Mitleidend mit seinen Hasen,

Gar Angst vor den Wölfen

habend.

Sie sind Schauspieler –

Puppen.

Wenn du magst,

kannst du sie gucken…

Hier sind Stöckchenpuppen –

bitte!

Hier sind

die Marionetten,

es gibt Puppen – Handschuhe” –

kein Lächeln –

Man zieht sie auf geöffnet’

Handfläche...

_____

– Wir sind Marionetten –

Beklagen Sie uns

bitte!

Marionetten –

–,,an den Fäden”

Puppen.

Die „Stock”– und

„Hand”– Puppen ...

Verachten wir –

beide ...

Denn wir können stehen –

auf eigenen Beinen!

Ein Paar gold'ne Schuhe

An den Füßen

habend,

Läuft Marionette

auf die Bühne.

Sie hat lange Haare,

wie Lorelei,

Ist dünn

(wie Ameise!)

Trägt ein schönes

Kleid.

Der Erste –

– danach

Und gerad’

in der Spur

Läuft die Marionette –

– der Kavalier.

In einem von Atlas

Anzuge,

Er schaut mit schwarzen

Augen:

,,Ich bin Bube –

– Schewalje,

Ich bin der Kavalier.

Ich bin schön,

Ich bin stolz

auf mich.

,,La–la–la, la–la la”, –

singe ich mein Lied,

Und an Fäden die Lippe

springt”.

...Jetzt läuft ein Pudel –

geputzt und nett!

Auch Marionette ist dieser Hund.

Gar winselnd bellt

dieser Pudel-Frant

Zwischen den Ohren

Winkt blaues Band...

Hier ist jeder Strauch

Geschnitt’n wie’ne Kugel

Und schön,

rosenartig ist hier

jede Blume.

Der Schmetterling, der über Gras

vorbei flimmert,

Hat so große Augen,

wie der blaue Himmel.

Die Gäste sind höflich,

dich herzlich einladend,

Und es lächelt Sonne,

Sie hängt an dem Faden ...

 

Marionette und Kasperle

(Dialog)

Wir, Marionetten, sind

Aristokraten.

Wir alle verachten

die ,,Handschuh”-Leute;

Sie haben,

wie Bauer,

große Handflächen

Und ohne das Beet

Machen gar nichts –

– kein Lacheln!

– Marionette kann nicht eben

Kleine Pfennig

aufheben,

Kasperl’ –

ohne Schwierigkeit

Macht’s,

weil er viel machen

kann.

Er

mit seinen lebend’n

Händen

Reißt die Blume aus der Erde,

Sie mit beiden Händen

bringt,

Um

zu schenken...

Unbedingt!

 

Das erste Lied der Handschuh–Puppen

,,Die Handschuh-Puppen” –

– hat man uns

genannt.

Man zieht uns

auf

Die eigene Hand.

Wir können Sie umarmen

Und können Sie gar

küssen.

Wir haben zwei Hände

Und leider kein’ Füße.

Für uns statt der Bühne

Benutzt man Wandschirm:

Hebt Hände

nach oben,

Und wir sind gleich

hier.

–Bitte... Bitte,

stehen Sie breiter,

Um ein and’ren

nicht zu schieb’n.

Wie die rote Flamme,

Kasperl’ ...

Tanzt er auf

dem Wandschirm!

Seinen Luftkuss

aufreihend

Auf dünne silber’

Pfeil,

Sagte er: ,,Flieg’, mein Pfeil,

Zu dem Bruder

nach Italien”

(es ist bekannt – sein alter Bruder

Ist in Italien

geboren...)

Kasperl’s

Bruder ...

Kasperl’

ähnlich,

Hat er gleiche Wangen,

Lacheln,

Lange Nase, große

Augen

Gar sein’ Stimme —

ist Tenor auch.

Tanzt er auch gerne,

aber

Er, gerade Schultern

habend

Tragend die dreieckig’

Mütze,

Ist kein’ Flamme,

sondern Kerze.

Sie – Pultschinella und Hans Wurst,

Polischinel –

französisch’r Bursch’,

Auch Ginjol

aus England

Sind alle Brüder,

die Verwandt’.

Bei dem Kasperl’spieler

gibt’s ein Gesetz,

Dass er seine Hände

in die Höhe hebt.

Die Augen sehen

nach oben,

Selbst steht auf kleiner Bank

(Um Puppe auf Schirm

zu heben,

Ist des Menschen Wuchs

nicht so lang)

Mit den Puppen gut

zu wirken...

Es können – doch

gar nicht viele...

Jetzt lernen Sie kennen,

bitte,

Das sind ,,Handschuh’” –

– Schauspieler:

 

Der Rabe

Aus dem Handschuh

der Krabbe

Ergibt sich

der schwarze Rabe!

 

Der Frosch

Ich schreie: ,,Quak–Quak”

Ich springe: ,,Hopp–Hopp!”

Die Augen habe ich

Auf dem spitzen Kopf!

 

Weinendes Mädchen

Wie das Mädchen weint,

So nass wird ihr Kleid!

 

Der Gast

Er kam aus Marokko,

Und jetzt lernt ihr

ihn kennen!

Wie braun sind

seine Backen,

Wie weiß sind

seine Zähne!

Er sagt uns

mit den Augen: ,,Grüß Gott!”

Und ...Wiederschauen!”

 

Der Igel

Ich bringe euch

zum Lachen,

Mein Rücken ist voll

Stacheln,

Streng ist mein

Angesicht,

Doch steche ich mich

nicht.

Warum? Oh, sehr einfach:

Ich bin aus Stoff

gemacht!

 

Keine Beine aber haben

Alle die: von Mädl’n

bis Rabe.

Läuft das lustige Hündlein

ohne Beine:

Es hat kein’...

Gar der Zar

auf goldnen Kissen

Hat–

Oh, Armer! –

Keine Fäße...

Vor ihm steht

Der ,,Handschuh”– Knecht,

Einfach,

ohne Füße

steht!

 

Das zweite Lied der ,,Handschuh–Puppen”

Wir alle –

in Kronen und in Mützen –

Sind Puppen,

die auf Händen sitzen,

Als Handschuh –

neue, alte,

Einfarbig oder bunte.

Die Hand ist Herr

Gar für den Held.

Bis uns die Hand

Hinab nicht

wirft

Egal–

bist du der Hirt, der Held –

Sind unser’ Köpfe

in den Hand’n!

_________

Wie Fischlein auf’m Sand

Ist leer Kleid –

ohne Hand...

Kasperl’ hat Händchen,

Wie Fisch Flossen,

hat:

Zwei große Handflächen.

Sonst Beine...

Beim Kasperle gibt es

keine...

______

– Es handelt sich

um Füße?

Wir haben

die Füße.

Wir, die Stöckchen–Puppen,

Euch, Schauende,

grüßen!

 

Das Lied der Stöckchen–Puppen

Wir – ,,Puppen auf Stöckchen” –

Sind meistens

Soldaten

Auch Magier

oder Helden.

Die wichtigste Rolle

Spielen wir

im Theater,

Versteckend die Stöckchen

Unter unseren Hemden.

Es gibt

Rückenstöckchen,

Heißt man es: ,,Gapit”

und jeder hat diesen Gapit

in der Mitt’!

 

Epilog

Es ist doch

ganz ander’s Theater,

Als einfach Theater

ist:

Das Pferd galoppiert –

aus Atlas

Blume aus Papier –

– sie wächst.

Dieser Barbier,

so dick, lockig

stolziert jetzt, wie großer Held,

Man hat ihn vor ein paar Minuten

Wie ein Kleid

auf den Bügel gehängt.

In diesem Theater

(nur in einem)

Teilt man den Akteur

in zwei Teile.

Zum Beispiel –

liegt ein Kopf allein,

Schaut er rings herum –

wie fein!

Aber ein Paar freie Füße

Läuft trotzig grad’ durch die Straße.

Hier sind unser’ Puppen

Leiden

Genau so wichtig,

wie die deinen

Die Prüg’lszene...

haben Sie bemerkt?

Gibt’s niemand,

der sie erträgt.

Sie schauen ganz

vertraulich

In der Puppen ehrliche Augen

Und haben sofort

verstanden:

,,Für Puppen – kein’ Peitsche,

kein’n Schaden!”

Wir haben der ganzen Welt

Von Puppen Theater erzählt,

(Vom sogenannt’n

,,Puppenhaus”

Und seinen Bewohnern

auch)

Von mutiger kluger Hand,

Von der Puppen

Schwierigkeit’n...

Wenn Sie harte Herzen

haben,

Können nichts Gutes

sagen:

“Wozu denn so hohe

Worte

Fur Sachen so einfacher

Sorte?”

Ich sag’: ,,Doch!”

Und wieder – ,,doch!”

‘s ist nötig –

– und immer noch

Unermüdlich –

(wie Meereswelle)

Von Puppen den Leuten

erzählen.

Die Puppe –

(lass sie sein nur Puppe)

Hat Feinheit und auch Güte.

Wer hat mit ihr

Bekanntschaft,

Wird stärker

doch gar nicht hart.

Und plötzlich –

(lass ein’r aus vielen)

Wird selbst als der Puppenspieler

Und irgendwann –

erst mal im Leben, –

Wird an die Ramp’

Puppen heben!

 

 

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