INNA ZAGRAJEWSKI
ausgewälte gedichte
Aus dem Buch “Die Erde in Blüte”. Jena-Plauen-Quedlinburg. 2005.
Natur ist –
gegen Ihre Meinung –
Kein toter
Abdruck,
den wir sehen;
Sie hat die Lieben,
hat die Freiheit
Auch die Sprache
und die Seele ...
F. Tutschew
Schmetterling über dem Schnee
Der Schmetterling
Im kalten März im verschneiten Wald
flattert der gelbe Zitronenfalter mit
den ersten Sonnenstrahlen hihaus.
(Der Mondkalender)
Der Schmetterling –
über dem Schnee:
Über Lang’weile –
Schnelle,
Über der Bläue –
das Gelbe,
Über dem Dunkel –
das Helle.
Der Schmetterling –
über’m Schnee.
Leichtsinniger
über schwerem,
Über dem Blinden —
sehend’,
Die Freude –
über dem Weh!
Das Nachtveilchen
Die Blume –
Nachtveilchen,
(Das keinen Duft
hat),
Auf dem hohen
Füsschen,
Darreicht uns
der Tag ...
Du, glaub’ aber night.
Warte auf
Abendstunde:
Wird duftend
die zauberkerze
der Blume.
Die Maiglöckchen
Aufrecht stehend’ Maiglöckchen,
des Frühlings Kinder,
“Elbrusse”, “Montblancs” –
in des Waldes Nied’rung…
Sie sind, ähnlich Stäbchen,
gesteckt in die Erd’,
Die anderen Welten
auf unserer Welt.
Dort ist Sonne –
“schattig”,
Der Wind hat den Duft.
Dort von diesen Gipfeln
Strahlen die weissen Hüt’...
Trittst auf Terrassen
Und fand’st das Maiglöckchen,
Siehst –
höher ein bisschen
Steht noch ein Stöckchen ...
Im Garten
I.
‘s ist ein Schöner
Apfelbaum!
O wie riesig ist er
– schau!
Das ist mit Spinnfäden –
Pflaumen,
Auch Kirschbaum –
“duftend’ Rauch”
Mit den Blättchen,
Honig voller.
Mit den Ästen,
immer vorne…
II.
Im Schnee aus Blättchen
Steht ein weiss’
Kirschbäumchen…
Ein grosser Apfelbaum ...
Er steht im Schnee
auch.
Und jemand noch
dahinter
Steht weiss,
als ob
ist’s Winter ...
Die Haufen
Der Heuschlag
Gold’ner Heuschlag ist lieber
als Bunt’farbigkeit:
In den Schoberlein
verschwanden gefärbte
Blümlein.
Vitriolblau Kornblume,
Die Kräuter,
die Klett’...
Kein Mitleid gibt’s
mit allen,
Wenn man Gräser
mäht.
Gar von dem Wiesenklee
verschwand
rote Farbe:
Er versteckt sich
ins Gras,
Störend auf Heugabel.
Alles ist so Gewöhnlich,
Und wird ‘s
gar night neu:
Man verliert
eine Blume,
Dafür “findet”
Das Heu…
Die Schwalbe
Hat jemand,
den Bogen biegend,
Den Pfeil in den Himmel
getrieben,
Der Pfeil ist geschwind
doppelschwänzig,
Sein’ Spitze ist dunkel
und glänzend.
Der Rücken ist glatt
Und gespannt,
wie die Saite,
Das Blau durchschneidet
Mit dem Flügel
aus Seide ...
Die Forelle
Die silberschimmernde
Forelle
Braucht
schäumende Welle,
Flüsse –
schnell,
Die strahlen –
grell.
Da spielt sie
Und plätschert
gern!
Wie man die Blumen sucht
Erkennt man den Mohn –
an den roten Röcken,
Und noch ... die Beine sind bei ihm
rau,
Die Tulpen tragen
die bunten Tücheh
Von rot und bis himmelblau.
Die Maiglöckchen findet man –
durch den Duft,
Während das Veilchen
mit den Augen ruft.
Die rosa Winde hat
einen Schnurrbart
und macht, wie Seiltänzer,
bald Kurbett, bald Spagat.
Die Petunie ... O! Sie schläft night
in der Nacht,
Sie öffnet sich breit
und riecht
und riecht.
Das Löwenmaul macht Bange: “Ach!”
Obwohl es gut ist,
night gefährlich, gar night!
Der wiesenklee hat sein Pelzchen
zerknüllt.
Die Aster ist träumerisch
und voller Gefühl ...
Aber sucht nicht die Klette:
Sie wartet
auf den Herbst
Und findet uns
selbst!
Der Laubfall
Der frühe Abend…
Der night richtig’, frühe
Abend
Warf den Schatten
in die Espe.
Wenn mit ‘m Wind
“blies” früher
Abend,
zitterten die Blätter
ängstlich.
Mit dem Wind war Schatten
zusammen,
trieb nach unten
und nach oben,
wog er sich
in Espenzweigen,
Die sich
mit dem Winde wogen.
Heute früh,
der Frist viel früher,
Barg sich Schatten
in den Kronen,
da löscht’ laufendes Wölkchen
unvermutet liebe Sonne.
Der Altweibersommer
I.
Die Blätter verblichen
Im Gelben
und Roten
Die Gräser bog’n sich,
angeschmiegt sich zerknüllend…
Sonst die Sonne
brennt doch,
Wie die Sonne
brennt noch,
Als ob den September man mischt
mit dem Juli!
Die Espe –
Ofen,
Die Eiche –
Räuchlein ...
(Sie wärmen
die Säume der Wälder immer!)
Und blaue-blau
wie in Blumen – Glöckchen,
Blaut der hohe
Himmel.
In solchem Herbst
wachten
gar die Wespen:
Ihre streifigen Jacken-Kleider
Flimmerten über gemähten Gräsern,
Als ob der Sommer dauert weiter ...
II.
Der September ist
wie der Mai
In dem Himmel
blauer Mohn
Macht sich auf
und er auch blüht.
Und die Gräser sind,
wie smaragdgrün Seid’,
Auch Blumen sind
hell und bunt.
Jedoch voll mit dem herbstlichem brand
stehen vorn
Weisse Birken,
die Eich’,
der Ahorn ...
Im Wald
Der Fussweg läuft
violett, wie der Fluss.
Längs des Fusswegs
Wandert der rote
fuchs.
Da Tage des Herbstes
Schon die Blätter
färben,
Sieht er des Hähnchens
Rot-gelbe Federn,
Hört er des herbstlichen Windes
Lied
Und meint, dass er gleich
Ein Hähnchen sieht.
Die Schneen
Das Schneefeuer
Die Schneeflöckchen
klopften
An unsere Tür
Und flimmerten
Unserem Fenster
entgegen ...
Da schlug,
wie ein Herz,
Ein weisses segel,
Zusammengenäht
aus dem Schneesturm ...
Es leuchtet –
nicht von Sonnenschein:
das Feuer –
hinter Fensterscheib’,
Das Winterfeuer
aus dem Schnee,
Selbst dunkel Wald
Ist nicht zu sehen.
Die weisse Flamme,
Weisses Feuer!
In ihm brennt ‘s Feld, die Säul’,
das Heu.
Der Ahorn
und der Tannenbaum
Sogar das Haus
und der Zaun.
Die roten Dücher, Deckel,
Höfe ...
Sie schmelzen in den Schneeflöckchen.
Ich Auch,
durch die Schwelle
gehend,
Tritt ein dem Schneefeuer
entgegen.
Der Rauch
Bald ist er gerad’ —
der Rauch,
Bald dreht er sich
im Kreis.
Gebunden an seinen Ort,
Ist er gleichzeitig
frei,
Berauscht er —
nicht vom Wein,
Geräuschvoll —
mit keinem Wort,
Er will ganz besonders
sein,
Obwohl er beim Feuer
wohnt.
Das Wiegenlied
Eiapopeia Walter,
eiapopeia Olga,
Martha, Renata,
Günther,
Frank und der kleine
Holger.
Wünsche ich
gutes Schlafen
Den entferntesten Schiffen,
Dem leichtesten Wind –
dem schnellsten
Und dem Bächlein –
dem reinsten . ..
Im goldenen kleinen
Schuppen
Schläft das empfindsame
Kücken,
Auf der Stange –
das Hähnchen:
Der Schnabel ging tief
in das Bärtchen.
Ich schicke das Wiegenlied
Der Schlange,
dem Schmetterling,
Den Staren –
den Frühlingsgästen,
Den Möwen –
über der Küste,
In der dunklen Höhlung –
der Wespe,
Euch allen,
dem Letzten und Ersten.
Der Kornblume im Hafer
Wünsche ich gutes Schlafen,
Sage dem Röslein in blau:
“Schlaf’, gute Nacht,
du auch!”
Die Allegorien
Das Lied des Mondes
Der Mond, der Planet,
ist “Für Liebe” der Stern…
Er baut Gemächer
für Liebende gern…
Sein Priester
trägt Blau,
Er hat blaue
Augen,
Er schenkt
seiner Braut
Edelstein’
aus der Fern’ ...
Sag, was ist dir
lieber?
Er kennt schöne
Lieder,
Er singt auch
gern…
Für dich Greisin –
Erde
Kann ganz neu
werden,
Wird sie,
wie ein Stern ...
Die Traurigkeit
Sie kämmt ihre Haare
ohne den Kamm,
Während ihr’ Wangen,
genau wie Augen,
Ganz grau
werden…
Alles ging weg
in den grauen Nebel,
Nur das Glänzende
nahm
Die Venus
in Heim:
(Sehr gefielen der Zarin der Liebe
die Perlen–Tränchen,
die von den Augenwimpern liefen!)
Die Frühlingszeichen
(Die Stückchen aus dem Poem)
Der Frühling hat den Namen
“Jilia”
Warum denn? Das weiss man
nicht.
Sie wohnt zwischen Sonnenstrahlen,
und hat immer Jung’s
Gesicht.
Sie blüht –
mit dem Gold sich bedeckt,
Weil es sie zu der Sonne
zieht
Weil der Frühling
den Sommer weckt,
Er lächelt,
wenn er sonne sieht.
(Während auf der Erde
die Gänseblümchen sich heben
Und alles verändert sich ...)
Die Mädchen, die schöner
und schöner werden,
Haben die Nimbus’
aus Rosen und Zweigen,
Und frischer wind ...
Er, kühlend, umwehte —
Mit den Farben des Mandelbaums –
Die Wangen.
. . . Es fliegen die
Gänse
Und auch
die Schwäne —
Als ob aus dem Märchen
über “Gänse und Schwäne” –
Mit den roten Flecken
auf den weissen Federn,
Mit den langen Hälsen
Und den schwarzen
Fersen ...
Sie flogen sehr langsam —
zu zweit an der einen,
An der and’ren Seite –
zu drei’n…
Und plötzlich – ein Schwan…
Er, sich senkend
von oben,
Lässt sich
auf das Wasser
fallen.
Er ist gross und schön,
Echter Prinz
aus der Sage ...
Danach neben ihm
Senkt’ sich auch
seine Braut,
Als ob in Hochzeit
In dem weissen Kleid ...
(Wie im Eisgang
durch Flusses
Wogen
Schwimmt –
wo, woher –
Wer sagt? Wer weiss? –
Hochbrustig,
ähnlich einem Wunder,
Der Berg aus Schnee
oder Eis…)
Für anderen Jungen –
gib eigenes Heim,
Für die ist –
genug
nur die Schwimmende
sein,
Um irgendwann –
niemand weiss – wo
und wie weit es …
Bis zur
“Schwanenbucht”
unbedingt zu erreichen …
Die Festtage
Gratulation
Zu den nähernden
Feiertagen!
Zu dem heiligen
Weihnachtsfest!
Am höchsten, am schönsten,
Am hellsten
auch,
Zu dem fünftägigen
Jahresrest!
Weihnacht
Für B.L.
I.
Man sagt,
dass in diesen heiligen Tagen
Die Engel nach unten
zusammen fliegen.
Und sie,
wie die Schmetterlinge,
Drehen sigh,
Flimmernd über
dem Kerzenlicht.
Sagt man auch,
dass eins aus and’ren
Ist hier, um dich
zu behüten,
zu bewahren.
Du selbst night
spürst:
Dich berührt
sein Flügel,
Und werden ruhiger
diene Züge…
II.
Es brennen im Zimmer
die Weihnachtskerzen
Und voll mit Lichtern
Ist Tannenbaum,
Das Schieben, das stampfen,
der Jubel der Kinder,
Lachen, Lärmen
auch.
Plötzlich irgendwelch’ Stimme
sagt:
“Vor dem Eingang
steht der Stern . . .”
Jemand wog mal der Kerze
Flamm’,
(Mit Flügels Feder
berührte er?)
III.
Unter dem Stern
auf den Tannenzweigen
Warten auf Kinder
die Weihnachtsgeschenke:
Einem –
das Bärchen,
And’rem –
das Pferdchen
Und Schokolade —
mit Farbigem
Bildchen.
Und, sehend den Stern,
Alle sangen
zusammen,
Wie Hirten – Wahrsagen,
zum Christ gehend,
sagen.
Wahrsage aus dem Wachs
I.
Es ist: bald Traube,
bald Berg,
Als Spiel der Phantasie,
Gewächs.
Du aber sollst erraten
selbst,
Was es für dich wahrsagte,
hext’…
II.
Die Kerze,
wie der Stern,
hier steht
Daneben den andren
vielen. ..
Sie spielt mit Schicksalen
der Menschen,
Ganz leise Wachs
verlierend.
III.
Man wärmt das Wachs,
In ‘s Wasser
es giessend,
Man möchte so
das Schicksal
wissen…
Aber das Wachs,
das schnell
erstarrt…
Es spielt mit Leuten,
jederzeit,
Entweder werdend
Schwäne
Schwarm,
Oder die Nase
zeigt.
Ostern
Es stand Jesus Christus
zu Ostern
auf,
Erwach’nd mit des Frühlings Blätter
zusammen.
Die Leute, die Vögel,
ihre Köpfe
hebend,
Sangen über
des Christus’ Belebung.
Man macht
Osterkuchen,
man bäckt –
Osterbrot,
Man malt die Eier
mit roter Farbe.
Gleichzeitig
golden schon waren
Weiden
Und die gelbmündigen Vöglein
mit Schnäbeln
Durchbrachen die Schale
von ihren “Larven”.
(Sie, die statt eng’ Eiswelt
echte Freiheit fanden!)
Doch jubelt:
Der Christus
ist auferstanden!