INNA ZAGRAJEWSKI
Gedichte über das große Ballett
(Aus dem Buch “Helden der Bühne”, Berlin, 2002)
Faulheit…Langweile...
Nein!
Die Freizeit soil tüchtig
sein!
Magst du noch mal schlafen?
Warte:
Nichtigkeit wird dein’
Verwandte!
Du, versteck’ dich nicht
im Wort,
Well die Nichtigkeit dir
folgt.
Nur der Tanz ist
auf der Spitze,
Tanzen –
nicht langweilig sitzen.
Nur der Tanz hat immer
Streit
Mit der Leer’
und Nichtigkeit ...
Tanzt du gern?
Kein’ Fragen mehr!
... Hier ist das Ballett-Mäd’l ;
gezeichnet.
(Sie ist und lebend’
wie das Bildchen!)
Seit Jahren in
der Ballettschule
Trägt sie mit dickem Kork
die Schuhe.
Das Köpfchen dreht sie
seitwärts,
Oh, wie gerade ist ihr Rücken!
Genau wie Weihnachtsgebäck,
Sind dunkelbraun
ihre Backen.
Stellend ein Bein
das andere nach hinten,
Steht sie auf ,,Nägel”
den Zehen–Fingern.
Sie macht —
schau mal —
,,Gete” und ,,Tour”,
Dann wechselnd Pas,
Die neue Figur
und –
ob man angezündet hat –
Fliegt Sprung im Spiegel
von Wand zu Wand.
Sie himmelwärts
Wirft Hände –
beid’,
Jetzt stellt nach hinten
anderes Bein.
Und sie –
– wie Löffel in dem Tee,
Hat,,sichgeteilt...”
(Man kann oft
sehen,
Wie Löffels Heft –
nicht mit der Hand, –
In Tee sich ,,gebrochen”
hat).
Danach, bewegend
sich immer weiter,
Rechts von der Mitte
Ballettröckchen,
Der Körper gleit’t
weg von den Beinen,
Um in der Luft ,,sich hängend’”
zu bleiben.
Das ,,Brechungs–Gesetz”
(vom Wort ,,Der Bruch”)
Physikeffekt –
aus dem Schulbuch!
Jetzt — keine Zweifel
– ihr erkennt:
Es ist doch ein Großes
Ballett!
_______
“Zu tanzen" bedeutet, natürlich,
Anderes
Als mit dem Beinchen
das and’re berühren.
‘s ist – unabhängig
von dem Trikotanzug –
Des Körpers Muskeln bleiben nicht ruhig,
Die Augen reden,
obwohl sie stumm sind,
Die Hand nimmt was,
obwohl sie gar nichts
nimmt,
Es ist doch die Freiheit:
in Sprung und Umleitung,
Und alles hat eigenen
Sinn.
Im Tanz sind zusammen:
der Klang, die Bewegung,
Gibt’s selten –
der Kummer,
Sonst immer – die Lust
Die übenden Füße,
Die sprechenden Hände,
Die Freud’ des Erfolgs und der Arbeit
Genuss.
Aber... man soil
etwas wissen:
Bühnen Vorhang heißt
,,Kulisse”,
Ballett Schuhe
heißt ,,Puant”
(Beide sind französische Wort’)
Tanzfiguren nennt man
hier
,,Kabriol”, ,,Plie”
und,,Tour”.
“Pa-de-scha” – der ,,Katze Schritt”,
(Auch die französisch’n Wort’).
Jetzt sag’, ob du Kraft
für das Tanzen hast?
Bringt er dir Spannung oder
den Spaß?
Du weißt es noch nicht
genau –
Dann gehe vom Tanzen
aus!
Sag, magst du wie Erik Nurejew
sein,
Oder fliegen, wie Vögelein,
Sprung machen,
wie ein großer Tänzer
macht?
Dann sollst du
arbeiten
Bis zur Nacht!
Ein Tanzmäd’l geht
um die Ecke,
Fußchen in Gamaschen
versteckend
(In Filzstiefel –
Eskimos:
Kein Fuß –
sondern “Eskimo”!)
Nach der Übung –
nicht von Heizung
Wärmte es den dünnen
Körper,
Füße hüllend
in den Strümpf:
,,Geh nicht, Wärme,
in die Luft!”
___
Erfolg ... Er kommt
allmählich ...
Aber der Tanz
begann.
Man tanzt ... ,,Liest" ihn
durch Silbe,
Wie’s Buch,
wie einen Band.
Ob du, wie ein Stein
stehst,
Du hängst springend
in der Luft,
Ist alles bei dir –
Begeisterung,
Ist alles – der Spaβ,
die Lust.
Puant’ sind –
wie Vogelklauen,
Vom Feuer sind voll
die Augen ...
Du flieβt,
wie das Wasser,
Aus Glas
zu den Gläsern
so:
Immer bewegend
und immer wechselnd.
Jetzt zittert dein Füβchen –
Wie der Puls
wie’s Herzchen...
Du bist auf der Spitze,
das tanzende Mädchen!
Aber man klingelt ...
Es ist Zeit ...
Der Vorhang fliegt nach oben
gleich ...
Der Ballettkorper
Auf der Bühne
sind drei Pferde,
Hebend’ Beinchen
über die Erde ...
Drei Paar Beinchen
in rosa Seide.
Alles zusammen machen
Beine!
Sei vorsichtig
in dem Satz,
Du, die dünnste
Eleganz!
Die Lichter sind
bald rot, bald blau,
Erwecken sie
zum Leben das Märchen
Hier ist das jede Fers’ –
Hüflein,
Ist jedes Pferdchen –
– das Mädchen.
Der Ballettkörper –
Wasser, Feuer –
Ist immer fleiβig,
immer freundlich,
Sein’ Seele versteckt sich
fern,
Dort, hinter engen Rücken...
Du auch, hab’ die Tänze
gern:
Es ist Glück
und Entzückung!
Epilog
Obwohl der Birn’baum schwer
ist,
Er klagt doch trotzdem
niemals,
Der Fischer an seinem Ort
Sitzt lange –
ohne Wort.
Die Hand kann vieles
sagen
Einfach, durch die Bewegung.
Besonders echte Lieb’:
Sie stummend singt
ihr Lied...
Der, dessen Gest’
ist peinlich,
Spricht immer wortlich –
– freilich!
Uns lieber tanzend’
sein,
Als mit den Worten
sagen.
Die Tänze —
jedenfalls
Auf der Welt
tanzt alles:
Der Wind, der Baum –
voll Hand’,
Der unter’m Wind hier
steht.
Unser Natur–
– Himmel, Erde –
Dient ihm dem ,,HerrnTanz”
gerne
Mit Regen und mit Schnee,
Wir – in der Spur –
auch gehen:
Mit neuer Gest’
– der Tänzer,
Poet –
mit schönen Sätzen ...