INNA ZAGRAJEWSKI
"Lass doch die fremde Sprach'
für mich die Hülle sein"*
Übertragungen aus russischen Pösie.
*Osip Mandelstam. Aus dem Gedicht "Zur deutschen Rede", 1932. Osip Mangelstam - ein bedeutender russischer Dichter. Er lebte von 1891 bis 1938 und starb in Magadan im Gefängnis.
Warum übersetzen wir russische Klassik?
Im Prinzip ist jede Übersetzung des Gedichts "geweiht": eine Sprache verträgt sich mit der anderen nicht. Sie findet für den pötischen Inhalt keine Worte, keine Klänge, kein Gefühl. Mit den akademischen Mitteln für Übersetzungen kann man nur einzelne Nuancen der Originale wiedergeben: den Gegenstand, die Laune, Philosophie des Autors. Aber es entsteht kein Gefühl der Ganzheit!
Am Beispiel der russischen Pösie wird deutlich: es gibt praktisch keinen Erfolg in den akademischen Übersetzungen.
Zum Glück gibt's auch noch eine andere Art der Übersetzung. Nämlich die "freiwillige", die pötische Übersetzung, "Übertragung", die mehr mit der Sprache, mit dem Gefühl, verbunden ist, als mit der fremden Grammatik und Konstruktion. Für diese Übertragungen diente uns nicht der Originaltext als Grundlage, sondern "die Erinnerung" an ihn. Es wird also nicht der genaü Wortlaut des Originals wiedergegeben. Es ist kein Zufall, dass alle grossen russischen Schriftsteller, die aus dem Deutschen oder Englischen übersetzten, sich etwas vom Text distanzierten, deshalb wird auch nicht "Göthe" übersetzt, sondern es wird "aus Göthe" übersetzt.
Es stellt sich aber noch eine andere Frage: sind solche "Übertragungen" denn nötig?
Ich denke: ja! Es macht auf jeden Fall mehr Sinn als eine akademische Übersetzung. Durch die pötische Übersetzung tasten wir uns an die Seele des Autors, welche ja in jedem Gedicht eingeschlossen ist, heran. Wir können sie nur nähern, jedoch nicht erreichen.
Unsere Hoffnung ist es, so nahe wie möglich an diese Seele heranzukommen. Wir hoffen, dass dieses Buch seine Aufgabe erfüllt.
Aber der Leser ist der wahre Kritiker.
W. Kawelmacher.
Hab ich im Nebel
verlassen...
Oh, du, die göttlich'
Höh'!
Und du, der göttlich'
Gram!
Gewässers rauh'r Schoss,
Die matte
Himmellasur
Und trüber Horizont,
Den ich schon früher
kannt'!
Ich sehe Schönheit
ihn:
Er, an den Mast
sich lehnend,
In Regenmantel
sich hüllend,
Schaut nur nach vorn,
den Jungen sehe ich...
O went doch, weint,
die Jungfer,
Wein, Mut,
Und du, der neblig'
Albion!
Also...Er ist
allein
Hier zwischen Himmel
und Erde
(Es ist doch deine Schul',
du wolltest aber kein'!)
In schicksalsvoller
Brust,
Mit'm Stern
durchdrungen wurde,
Der schicksalsvolle Wind,
Als Zar, dringt Eol ein.
Getöse der graün
Well'n
Kommen in Ballad' zusammen,
Wovon,
wie er verdarb,
Durchbohrt
mit diesem Stern.
Wein, Jugend,
Liebe, wein!
Wein, du Welt,
schluchz', Ellade.
Wein, Kindlein, kleine Ada,
Wein auch, Albion
in deiner neblig'n Fern!
M.Zwetajewa.
Nekrolog (Auf den Tod der F.F.Kokoschkins Gattin).
Es gibt keine Freundin,
Keine zärtlich' Lila...
Wie es leer wurde!
Wein, Himen
der Freundschaft!
Wein, du trüber
Eros!
Glück ist schon
verschwunden!
Du, die Freundschaft,
schenktest
Ihr der Freude Blumen
Ganzes junges Leben.
Deine junge Freundin
Ist mit deinen
Stöhnen
In der Erd'
gelegen
Die Zypresse -
- Tisse
Pflanz' jetzt
um die Urne,
Lass -
als Gab' der Schöne
Deiner Liebe
Und auch blaü
Blumen.
Alles ist so trübe...
Nur das leichte
Windlein
Kann Denkmal
liebkosen...
Hier ist Weinenskammer
Genius des still'n Todes
Hier zerreisst
die Rosen,
Blasser stummer
Ist hier
angekettet
Mit'm Gram
bis zum Himmel:
Löscht er
bei dem Grabmal
Seinen hellen Leuchter
Mit den zitternd'n
Fingern...
K.Batjuschkow.
Der Engel
Der Schutzengel flog
An dem Mitternachtshimmel
Und er sang das Lied
Mit der ganz leisen Stimme.
Die Wolken, der Mond
Und die Menge
der Sterne...
Sie hörten den heiligen
Sänger.
Sang er von den Zelten
des heiligen Gartens,
Vom Glück der unschuldigen
Geister,
Von dem grossen Gott,
Und sein lobendes Wort
Ist herzliche Wahrheit
geword'n.
Er hat junge Seel' in den Armen
getragen,
Für die Erde, "Gegend der Tränen",
Und Seele bewahrt' diesen Klang
von dem Lied,
Der stumm, aber lebendig blieb!
Noch lang' hat sie sich
Auf der Erde gequält,
Voll Streb'n
zur erhabenen Welt
Und hörend langweilige Lieder
der Erd',
Die des Himmels
nie ersetzen werd'n.
M.Lermontow.
+ + +
"Ein Fichtenbaum steht einsam
Im Norden auf kahler Höhe..."
H. Heine.
In dem wilden Norden
Auf des Berges Gipfel
Erhebt sich die Kiefer
allein,
Und schlummert sie
wiegend,
Und die Schneedecke,
wie Einfassung,
Hütet sie ein.
Und es träumt ihr
immer:
In der weiten
Wüste,
In Gegend,
wo die Sonne scheint,
Steht die schöne
Auf herb'n weinend
Klippen,
Die auch ganz einsam
gedeih't...
M.Lermontow.
Gipfel der Gebirge
Schlafen im Dunkel
ein,
Voll von feuchten
Finster
Sind die stillen
Tal'.
Zittern keine Blätter,
Staubt nicht die Erd'.
Du, wart noch ein bisschen:
Wirst auch ruhig
werden...
M.Lermontow.
Der Traum
Mit dem Blei in der Brust -
Ich bin verwundet
worden -
Lag ich in Dagestans
ausgedörrter Wiese.
In mir, noch dampfend,
Klafft' die tiefe Wunde
Und langsam ist das Blut
aus ihr gerieselt.
Ich hab allein auf Tales Sand
gelegen,
Die Felsen stiegen
hinauf
Stuf' für Stuf',
Die Sonne brannte
ihrer Gipfel Gelbe
Und brannte mich,
als ich auf ewig schlief.
Mir träumte dann
Erleuchtend'
wie das Feür,
Das abendliche Fest
in meinem Vaterland,
Wo zwischen Maid'n,
bekränzt mit schönen Blumen,
Die frohe Sprache
über mich stattfand.
Teilnehmend nicht
an dieser frohen Sprache,
Sass Eine dort,
tiefsinnig, gram sogar,
Ihr' junge Seel'
ins traurige Schlafen -
Gott weiss, warum und wie, -
versunken war.
Sie träumt' von Dagestans
ausgetrocknet' Wüste,
Bekannte Leich' lag dorten
in dem Tal.
In seiner Brust, noch dampfend,
klafft' die Wunde
Und floss das Blut erkaltend
mit dem Strahl.
M. Lermontow.
Tamara (Die Sage des Kaukasus).
Im Hinweg in des Darjals
Abgrund,
Wo Terek in Finsternis
heult',
Im Turm wohnt' die Zarin
Tamara,
Im dunkln Turm
auf schwarz'n Felsenhöh'.
Durch den mitternächtlichen
Nebel
Hat das goldne Lichtlein
gewacht,
Es leuchtet' dem Reisend'
ins Auge.
Rief ihn zu der ruhigen
Nacht.
Ertönt' nun die Stimme
der Zarin.
Sie war ganz -
die Lieb', Leidenschaft,
Sie war voll von echter
Bezauberung
Und heimlichen, mächtigen
Kraft.
Auf Stimme der unsichtbar'n
Pery
Kam jeder: der Herr und
der Hirt,
Vor ihnen - man öffnete
Türen,
Der finster' Eunuch
stand dahint'n.
Im Bett aus den
Schwanen Federn
Traf sie neü Gäste,
sie wart't...
Ihr' Haare verschönerten Perlen,
Vorn schäumten die Becher
mit'm Wein...
Es wurd' so, als ob
in leer'n Räumen
Einhundert der Jungen
und Fraün
Hat zu der Hochzeit
sich gesammelt
(Zum Schmaus oder
um zu begraben).
Kaum des Morgenrots
helle Funken
Warf der goldne Strahl
durch die Fels'n,
Wie wieder ehmaliges
Dunkel
Auf'm stummenden Turm
zurückfällt.
Nur Terek in dem
tiefen Abgrund
Stört' rauschend
des Turmes Schweigen,
Ein' Welle lief der And'ren
auf,
Die Welle liess And're -
sich beeilen.
Sie trugen den verstummten
Körper
Mit Stöhnen, ganz weit
in die Weit',
In Fenster: "Verzeih' doch", -
- man hörte
Und flimmerte irgendwas
weiss.
O wie zart war
dies's Verabschieden,
Die Stimme war süss und so
schwach,
Als ob sie Entzückung
der Liebe
Und das nächste Treffen
versprach...
M.Lermontow.
An das Meer
Leb wohl,
du "freie Kraft", das Meer!
Vor meinem Blick
beim letzten Mal,
Rollst du die himmelblaün
Wellen,
Mit deiner stolzen Schönheit
strahlend.
Wie von dem Freund
stummes Murren,
Wie in der schweren Stund' -
sein Horn,
Dein trüber Lärm,
Dein' rufend'
Stimme
Hab' ich zum letzten Mal
gehört.
Du, von dem Herz'n
erwünschtes Ende!
So oft durch deine
sandig' Welt
Bin ich gewandert,
still und neblig,
Als heilig' Absicht
mich quält'!
Dein Echo...
O, wie ich es liebe!
Lieb' tiefe Klänge,
Kluftes Stimm'.
In Abendstunden lieb'
dein' Still'
Und deine eigensinnig'
Triebe.
Das milde Segel
vom Fischerboot,
In sich dein' Laune
bewahrend,
Gleit't mutig
zwischen deinen Wogen,
Sonst brachst du los
du, unbesiegbar -
Und Schwarm der Schiffe geht
zu Boden.
Ich konnte nicht von Strand
weggehen,
Verlassen
unbewegte Bucht',
Und durch der Wogen Kette
wenden
Damalige pötisch'
Flucht.
Du hast gewartet,
hast gerufen...
Vergebens strebte
meine Seel':
Ich, fasziniert'
der Leidenschaften,
Blieb auf deinem Strand
trotzdem.
Ich hab' kein Leid...
Egal, wohin denn
Wäre ich damals weggegang'n,
Konnt' nur ein Zweck
in deiner Einöd'
Mein' Seele bewundern
dann:
Der Felsen,
von der Ehre das Denkmal...
Dort sanken
in den kalten Traum
Die grosse aus den gross'n Andenken:
Dort wurd' Napoleon
begraben...
In Ruhe schlief er ein,
sich quälend...
Ihm in der Spur,
wie des Sturm's Lärm,
Der Andere ging weg, der Genius,
Von unseren Gedanken Herr.
Auf dir, das Meer,
sind seine Züge,
Dein Geist hat ihn
geschaffen, gewärmt',
Wie du war er so tief und
dunkel,
Wie dich, nicht's konnt' ihn
jemals zähm'n.
Leb wohl, o Meer...
Vergess' ich niemals dein' Schönheit,
feierlich und stumm,
Ich werde hören -
auf immer -
Dein Lärm in meinen Abendstunden.
In Wäldern, in schweigsamen Wüsten
Bring' ich mit dir in meiner Seel'
Dein' Meerbusen, deine Felsen,
Auch Glanz, Gespräch
und Lärm der Well'n...
A.Puschkin.
Der verbrannte Brief
Also...
du, Liebesbrief,
leb wohl -
Befahl sie...
Wie zauderte
ich,
Wie lange Hände
hüllten
Ihn,
meine einzig' Lust,
Nicht gebend Brief
dem Brand...
Schon gut...
Es ist die Zeit...
Lass doch den Brief,
mein' Hand!
Ich bin bereit:
nichts gibt der Seel
die Antwort...
Die neidig' Flamme nimmt
Zu sich schon
seine Seiten...
Aufloderten...
Sie glühen...
Leichter Rauch
er steigt, mit meinem Flehen
zusammen kreisend auf.
Vom einem Fingerring den Eindruck
verlierend,
Zerschmolz'ner Siegellack...
Er kocht...
Oh, die Vorsehung!
's ist Schluss...
Die dunklen Blätt'r
Rollt'n sich zusammen -
fast,
Auf der schwerlos'n
Brandstätt'
Sind heilig' Zeilen
weiss...
Die Brust hat
kein'n Atem...
Asche
liebe!
Die letzte Freude
In der Seele,
so trübe...
Bleib doch
auf ewig hier,
Auf meiner armen
Brust...
A.Puschkin.
Die Teufel
Jagen Wolken,
treiben Wolken,
Trüber Mond ist
unsichtbar,
Trotzdem fliegend' Schnee
leuchtet
Im Nachthimmel
vor der Bahn.
Fahre, fahr' ich
durch die Fluren,
Höre Glockens einsam'n
Klang,
Fürcht' ich mich -
es ist gezwungen:
Weisse Felder sind
so flach!
- "Treib, Jamschik!
Ist's über Kräfte!"
- "Ist's schwer, Herr,
für unser' Pferd,
Meine Augen sind klebrig,
Alle Wege sind
verweht!
Kannst mich töt'n -
Gibt's keine Spuren
Wir verirr'n uns -
es kann sein!
Uns, sieht man,
die Teufel führen,
Drehen uns in alle
Seit'n.
Schau mal, Ein spielt,
mich rufend,
Bläst er auf mich, er spuckt
Jetzt, schau mal, gerade wirft er
Das verwildert' Pferd
in Schlucht.
Bald war er wie seltsam Säulchen,
das vor meinen Augen stand,
Bald glänzt' er,
wie kleiner Funken,
Der dann in der Nacht
verschwand".
So unendlich,
und ganz hässlich
In des trüben Mondes -
Strahl
Drehten sich verschiedene
Geister,
Wie die Blätter
im Laubfall.
O wie viel! Warum sie
jagen
Und warum so
trübe sing'n,
Ob sie den Waldgeist
begraben,
Hexe oder
heiraten sie?
Treiben Teufel -
Schwarm nach Schwärmen -
In der Höhe ohne
Grenz',
Mit Gewinsel und
mit Heulen,
Reiss'nd darauf
Seel' und Herz.
A.Puschkin.
Für Küsten deiner weiten Heimat...
Für Küsten deiner weiten
Heimat
Verliesst du dieses fremde
Land.
In Stunden, unvergesslich
traurig,
Hab' lang' ich über dich
geweint.
Vergebens mein' erkaltend'
Hände
Bemüht'n sich dich nicht gehen
zu lass'n,
Die Leidenschaften und Qualen
der Trennung
Flehte mein Stöhnen
nicht abzureiss'n.
Du trotzdem von den bittren
Küssen
Den lieben Mund -
gerissen hast,
Von Orten der Verbannung
Finster'
Riefst du mich
in den and'ren Kreis.
Du sagtest mir: "Beim Stelldichein
Dort, unter immer blaüm Himmel,
Im Schatten von Olivenbäumen
Werden wir wieder
Münder verbinden".
O weh... Dort,
Wo Gewölbe des Himmels
In dem tiefblaün Glänzen
strahlen,
Wo unter Fels'n das Wasser
schlummert,
Schliefst du im letzten Traum
ein.
In dem verhängnisvollen
Abgrund
Verschwand dein Leid
und dein' Schönheit...
Verschwand auch Kuss
vom Stelldichein...
Erwart
ich ihn...
Er ist doch
mein!
A.Puschkin.
Ein Schloss auf dem Meerstrand.
- Sag: sahst du ein Schloss
auf dem Meerstrand?
Spielten und grellten die Wolken
über ihm,
War das hellblau' Meer auch schön
und so strahl'nd?
- Ich sah dieses Schloss,
Aber Meer war nicht strahl'nd,
Über ihm leuchtet' nur einsamer
Mond,
Der wirbelnde Nebel
am Meer war kalt.
- Sag, ob Meerswellen da plätschert'
und spielt'n,
Ob Stimme den froh'n,
abendfestlichen Sait'n
Mit dem Wellesklatschen und Lärm
floss zusammen?
- Der Wind war ganz ruhig,
die Welle war schweig'nd,
Ertönte im Schloss
nur das traurig' Lied.
Ich hab' von den klagenden Klängen
geweint.
- König und Königin
sahst du denn dort?
Sahst du mit ihnen
auch ihr' Lieblingstochter,
Tochter, die jung ist,
wie Frühlingsmorgenrot?
- Sie, König und Königin, sah ich... Zu zweit
Stumm und ganz traurig sassen sie dort,
aber ihr'Tochter...
Sie war nicht
dabei...
W. Schukowskij.
+ + +
Geschenkter Kuss, den du mir damals
gabst,
Erscheint vor mir,
verfolg'nd auf alle Wegen.
Sogar am Tag
und in der dunklen Nacht
Ich fühle ihn...
ich fühle sein Einprägen.
Wenn kommt der Traum
Und schliesst er meine Augen,
Träumst
mir nur du
vom Himmel bis zur Erde.
Es ist Betrug... Kein Glück...
Es gibt bei mir
nur Lieb',
Nur Lieb' allein, von der
Ich erschöpft
werde...
E. Baratinskij.
Die Versuchung
Du, lässt mich nicht
die Liebe fühlen,
Kehr' nicht die Zärtlichkeit
zurück!
Enttäuschenden ist fremd
Verführung
Und Hoffnung auf vergangenes
Glück.
Ich glaube nicht an
Überredung,
Ich glaube nicht an Liebe
mehr.
Ich kann nicht wieder
mich ergeben
Die Träum',
die mir noch untreu
werden...
Die stumm' Langweile
nicht vermehr denn,
Bringt nicht zur Sprache
alte Zeit,
Und du, der Freund
der kranken Seele
Störe nicht Seele
ruhig sein.
Ich schlafe. Es ist süss
zu schlummern,
Vom Alten sage mir kein Wort,
In meiner Seele keine Liebe,
Sondern die Wallung
weckst du dort.
E.Baratinskij.
+ + +
Begegn' ich
Ihnen
Und das Alte
Wird in der Seele
wieder laut.
Gedenke ich
Der gold'nen Zeiten
So kommt ins Herz
Der neü Traum.
Zeitweis' im späten Herbst
- wir fühlen!
Gibt's Tag', die Stunde,
mit der Lust,
Als ob weht auf uns
der Frühling
Und irgendwas bewegt
in uns.
Ich, ganz umweht
mit warmem Hauch
Die Jahre, voller
Herzens Licht,
Mit längst vergessenem
Berauschen
Erblicke wieder
Ihr Gesicht.
Wie nach der hundertjährigen
Trennung
Seh ich Sie an,
Als sei's im Schlaf.
Und da ertönt' -
Ich hör' ihn laut -
wie damals -
So bekannter Klang.
Es ist doch nicht nur die Erinnerung:
Das Leben selbst
Erschien mir jetzt.
Genau wie früher,
Mit ihrem Zauber
Komm alte Liebe
in das Herz.
F.Tuttschew.
Der Sommerabend
Schon ihren Sonnenfeür -
- ball
Vom Haupt nach unten
rollt die Erde,
Um stillen Abendbrandes
Strahlen
Im dunklen Meer
versenkt zu werden.
Die Sterne stiegen
in die Höh',
Die das erdrückende von oben
Durch seine Last -
Himmelsgewölb'
Mit ihren feuchten Köpfen
hoben.
Viel voller wurden Luftes
Flüss',
Die zwischen Himmel
und Erde fliessen.
Viel freier Atem holt
die Brust,
Die sich befreit'
von Tageshitze.
Und süsses Zittern
in den Spuren,
Wie Sait', durchdrang
Natur die Sehne,
Als ob mit ihren heissen
Sohlen
Die kalten Qüllgewässer
berühren.
F.Tuttschew.
Letzte Liebe
Wir lieben am Ende
unserer Jahr'
Mehr abergläubischer
und treür...
Brenn' doch,
der Abschiedsliebe Strahl,
Das Morgenrot des Abends
Feür!
Halb'r Himmel ist schon
in dem Schatt'n -
Nur dort im Westen noch -
Die Strahlen wandern...
Langsam, langsamer,
der Abendstag.
Du, die Bezaub'rung,
bleib' noch lange!
In Adern schon verarmt
das Blut,
Verarmt nicht Zärtlichkeit
im Herzen...
Du, letzte Liebe,
bist das Glück
Und Hoffnungslosigkeit
voll Schmerzen.
F.Tuttschew.
+ + +
Unter atmendem
Gewitter
Wurden dunkel blasend'
Gewässer,
Überziehend sich leicht
mit Blei,
Und durch Wasserspiegel -
so rauh -
Hellt' der trübe Rosenabend
mit des Regenbogens
Strahl.
Abend schüttelt goldne Funken,
Rosen säend
durch das Dunkel,
Und trägt sie mit'm Strom
durch Glanz...
Über finsterblaü Welle
Reisst er, stürmischer,
den hellen,
Seinen Abendfeür Kranz...
F.Tuttschew.
An eine russische Frau
Ganz weit von der Natur
und Sonne,
So weit von Kunst
und von der Liebe,
In Fern' vom Leben,
Licht und Freud'
Doch flimmern
deine jungen Jahre,
Die lebende Gefühl'
erstarren,
Auseinander wehen
die Träum'...
Unsichtbar geht dein Leben
weiter
In deiner namenlosen
Gegend,
In deinem unbemerkten
Land,
Genau wie kleiner Wolk'
des Rauchs
Auf dem neblig' graün
Himmel,
Der in Herbstfinsternis
verschwand...
F.Tuttschew.
+ + +
Ich bin hier.
um zu erzählen,
Dass die Sonn' erhob'n sich
hatte,
Und mit ihren heissen
Strahlen
Zittert' sie auf jedem
Blatte.
Um zu sagen: Der Wald
erwachte,
Ganzer Wald
mit jedem Zweige,
Mit dem jedem Vogel
erbebte,
Voller Durst
der Frühlingszeiten.
Um zu sagen: "Genau wie gestern
Bin ich mit der Lieb'
erschienen,
Denn ich bin bereit
mit'm Herzen
Dir und auch dem Glück
zu dienen".
Um zu sagen, dass des Frühlings
Luft
Von allen Seiten
weht,
Dass ich nicht weiss, was ich singen
werd',
Obwohl das Lied
sich nähert...
A.Föth.
+ + +
Die Nacht war hell,
Der Garten voller
Mond.
Wir sassen in der dunklen Halle
vor'm Klavier.
Es war klangvoll und zart,
Und bebten seine Saiten,
genau wie jedes Herz
Vor deinem schönen Lied.
Du sangst bis Morgenrot,
Erfüllend Seel'
mit Tränen,
Dass du -
selbst Liebe bist,
Und and're gibt es
nicht.
Man wollte leben so,
Um Kläng' nicht
zu verlieren,
Umarmen dich, dich lieben
Und weinen über dich...
Zeit ging vorbei,
Ermüdend und unendlich,
Und ich hör' wieder in der Stille
deinen Sang.
Und weht genau wie einst
Von diesen schönen
Klängen,
Dass du ganz' Liebe bist
Und ganzes Leben auch.
Es gibt kein' Schicksalslos',
Die unsere Herzen quälen.
's gibt keinen Lebens Schluss
Und keine and're Ziel' -
nur die:
Zu glauben an die schluchzenden Klänge,
Umarmen dich, dich lieben
Und weinen über dich...
A.Föth.
+ + +
Du, im Morgenrot wecke sie
nicht,
In dem Morgenrot schläft sie so süss.
Sonne brennt auf ihrem
Gesicht,
Morgen atmet auch
auf ihrer Brust.
Ihr ermüdender Schlaf
ist so schön,
Und ihr Kissen ist heiss,
wie der Brand.
Ihre Zöpfe laufen dunkelnd auf Schultern -
an zwei Seiten -
Genau wie ein Band.
Aber gestern sass sie
bis zur Nacht,
Ohne Schlafen bis Nacht
sass sie dann
Und sie folgte den Wolken
entlang
Das Spiel, das Mond mit Sternen
begann.
Und je heller war Mond
in der Nacht, -
Dann pfeift die Nachtigall
Triller gern, -
Desto mehr sind ihr' Wangen
erbleicht,
Und ihr Herz wurd' fühlbar
mehr und mehr.
Da der Strahl brennt
auf ihrem Gesicht,
Da der Morgen ruht
auf ihrer Brust,
In dem Morgenrot wecke sie
nicht:
Schläft sie in Morgenstunden
so süss.
A. Föth.
Der Schmetterling
Ich bin so nett
mit luftigen Anstrichen.
Oh, es ist wahr!
Mein Samt - der ganz
(mit seinem lebend'n
Flimmer)
Ist's nur ein Flügelpaar.
Du, frage nicht,
woher hierhin ich komme,
Wohin flieg'n mocht?
So einfach: ich
Senk' mich auf
leichte Blume
Und atme -
doch!
Ob kurz, ob lang'-
's gibt keine Ziele weiter:
Nur atmend'
werd'n!
Jetzt blitzend und
die Flügel ausbreitend,
Flatter' ich weg...
A.Föth.
+ + +
Die Gleichmässigkeit des Laufes der Zeit in allen Köpfen beweist mehr als irgend etwas, dass wir Alle in den selnen Traum versenkt sind, ja dass es Ein Wesen ist, welches ihn träumt.
Schopenhaür.
Wenn ich mit dem Leben
gequält und betrogen bin,
Und allem zuletzt überlass
meine Seele,
Schliess ich meine Augen
auf Tage und Nächte
Und wieder geheimnisvoll
werde ich sehend!
Immer dunkler wird Nacht
des alltäglichen Lebens
(So ist nach dem hellen wetterleuchtenden
Lichte!),
Und nur in dem Himmel -
dem Herzens Ruf ähnlich -
Von den Sternen blitzen
gold'ne Augenwimper...
Du bist ganz durchsichtig,
der Weg von Lichtblicken.
Und kann man den Abgrund Erreichen
- nur ein Mal.
Deshalb sehe ich ruhig
vom Heute in'd Zukunft,
Erkennend dein' Flamme,
Oh, Sonne des Weltalls!
Dort so unbeweglich
auf den Feürrosen
Dämpft lebend' Altar
zwischen Himmel
und Erde,
Und in seinem Rauch,
Wie in schönem
Traum,
Bebt, zittert die Kraft
von der Ewigkeit
selber.
Und alles, was jagt
über des Zephrs Klüfte,
Gar jeder Strahl,
sinnlich und körperlos
auch,
Bist du, nur dein Abglanz -
Oh, Sonne des Weltalls,
Nur einziger Traum,
vorbei fliegend Traum.
Und in von der Träumerei -
weltendem Hauch,
Wie der Rauch, jag' ich
und unwillig schmelze,
Und in der Vision
(der Vergessenheit auch) -
Doch lebe ich leicht, atme ich
ohne Schmerzen.
A.Föth.
Die Unbekannte
Am Abend,
- Restaurants sind offen -
Ist Sommerluft
so süss und heiss,
Und es herrscht
über groben Zurufen
Der frühlingshaft',
verderblich' Geist.
Dort, in der Weit'
der Gassen Staub,
In Langweil'
sommerlicher Ort'
Sieht man den golden Kringel
der Bäckerei'
Das Kindsgeschrei schallt
in das Ohr.
Die Dollen knarren über'm
See,
Hört man Gewinsel
von dem Weib,
Und in dem Himmel, alles sehend,
Krümmt sich sinnlose
Mondesscheib'.
An jenem Abend
Ist mein "einzig
Freund"
In meinem Glas
zurückgeworfen,
Er ist mit Wasser -
so geheimnisvoll -
Genau wie ich,
ganz ruhig geworden.
Daneben den benachbart'
Tischlein, dort,
Wo Diener stehen
- fast schliefen ein -
Sitzen Säufer mit Kaninchen -
Augen,
"In vino veritas" - sie schreien.
An jedem Abend -
zu der gleichen Zeit
(Ob diese träumt,
Nur träumt -
und weg!)
Ist Mädelstatur,
der mit Seid' umweht,
Im neblig'n Fenster
sich bewegt.
Sie, gehend langsam
zwischen Trunkenbolden
Ohne Begleitung,
immer allein,
Mit dem Parfüm
Und Nebeln
atmend,
Setzt sich g'rad nebens
Fensterlein.
Es weht mit den uralten Sagen,
Lieder
Von Ihren fest gespannten
Seiden,
Von Ihrem Hut mit Federn -
Traürn,
Von der mit Ringen
schmalen Hand.
Jetzt, angekettet
ihrer Nähe,
Schau' ich durch Ihren
dunklen Voile
Und sehe den bezaubernden
Strand des Meers,
Sehe die bezaubernde
Weit'.
Die weiss'n gebognen
Straussenfedern...
Sie wiegen im Gehirn,
sie schwanken,
Und blaü, bodenlose
Augen
Blüh'n auf diesem
weiten Strand.
Es gibt was, das mir
anvertraut wird,
Als fremde Sonne
gegeben wurde, -
Und alle meiner Seele
Windungen
Sind jubelnd
mit dem Wein durchdrungen!
Die Kostbarkeit
lag in der Seele,
Zu ihr nur ich
hab' Schlüsselein.
Also: Du, Monster
der Betrunkenen,
Hast Recht:
"Die Wahrheit liegt im Wein!"
A.Block.
+ + +
Erinn'rst du dich an stillen
Hafen,
Wo grünes Wasser
ruhig schlief,
Als die Kolonne -
im Kilwater -
In diesen Hafen kamen
die Schiffe,
Vier militärisch', graü...
Fragen
Erregten uns ein' ganze Stund',
Und braune Matrosen waren
So wichtig', freierlich'
zwischen uns.
Die Welt begeistert',
Sie verbreitert'...
Aber die Schiffe schwammen
weg.
Wir sahen,
wie sie vier (sie alle)
Der nächtlich' Ozean
versteckt'.
Wie wenig brauchen
im Leben
Die Kinder, du und ich,
wir beid',
Denn ein Herz ist bereits
zufrieden
Mit gar der kleinsten Neuigkeit.
Auf der Spitze
des Taschenmessers
Fandst das Stäublein
vom weiten Land,
So wird die Welt auf's neü
ähnlich
Dem neblig - farb'nen
Meerstrand.
A.Block.
Die Todestänze
Wie schwer ist für den Tot'n
bei Leut'n zu sein,
Sich heuchelnd, dass er dem Lebenden
ähnlich.
Besonders schwer ist in der Fei'rtags
Helle,
Ganz dämpfend Knochen Klirr'n -
in dem Festsaal.
Der Lebend' schläft.
Der Tot' steht aus'm Grab auf,
Geht in die Bank,
ins Amt. in den Senat...
Wenn dunkler Tag ist,
dunkelt Böses auch,
Und Federn haben feierlich geknarrt!
Der Abend kam...
Der Regen machte schmutzig
Die Leut', die Häus'r und
übrig' Albernheit.
Dann fahrt "Taxomotor"...
Er trägt jetzt diesen Toten
Zur anderen Zerstreuung
in dieser Zeit.
In die ganz volle und vielsäulig' Halle
Tritt Tot' gekleidet in fein' Jacke ein.
Der dumme Herr
und auch die dumme Frau
Beschenken ihn mit Lächeln, voller
Neid.
Er ist, wie Tier,
von Arbeitstageslänge.
Das Knarr'n der Knoch'n
mit der Musik erstickend,
Drückte er fest die freundlichen
Hände:
Um Lebenden als Lebend'
Grüss zu schicken.
Dort bei der Säul'
in dieser Halle traf er
Die Freundin...
(Sie ist schon, wie er, tot...)
Aber in ihren weltlichen Gesprächen
Hören wir endlich ihre echten Wort':
- Mein lieber Freund,
im Ball ist mir merkwürdig!
- Mein müder Freund',
die Grabstätt' ist so kalt!
- Es ist schon Mitternacht,
Sie trotzdem noch nicht luden
zum Walzer - NN,
Die doch verliebt
sich hat.
Schon sucht NN
Mit den entbrannten Blicken
nur ihn,
Und wieder - ihn,
Mit der Passion im Blut!
In ihr Gesicht
Mit, wie bei'm Madchen,
Lippen,
Gibt's keinen Sinn:
Entzückung von der Lieb'.
Er flüstert ihr die
unbedeutend' Reden,
Die für der Lebenden
bezaubern sein konnt',
Und sieht er schon, wie ihre Schultern
röten,
Auf die Schulter
beugt sich schon ihr Kopf.
Mit scharfem Gift
hat er mit ihr gesprochen,
Dabei unirdische Bosheit beimischend,
verschwindet er...
- Wie klug ist dieser Herr!
- Und er hat doch
mich gern!
In Ihren Ohren ist
merkwürdig' Lärm...
Da Knochen klirren
an den Knochen...
A.Block.
+ + +
Ich denk',
betrachtend grob'n Handwerke,
Dass man im Paradies so lebt:
Da ist der Fischer,
der auf Bänke
Das Ruder und rostig' Anker
legt.
Danach schiebt er mit seinem Freund
Das schwere Boot
vom Strand ins Meer,
Entgegen Abendsonne
rudernd
Am Abend angeln
in die Fern'.
Und dort, wohin uns weh
zu sehen,
(Da Wolken schlagen
himmelweit')
Hat er das hoch', dreieckig' Segel
So frei und auch breit
entfalt't.
Der grosse rosenfarbig'
Flügel
Hebt sich in Himmel
in der Fern'.
Du sagst dabei:
"Der hohe Engel
Schritt auf das Gewässer
schwer".
Mit den nicht eiligen
Fusssohlen
Nähern sich andere
danach.
Sie, winkend mit den leichten
Flügeln,
Winkten den Samt
der finst'ren Nacht.
...Zusammen ballen sich
die Wolken,
Wie Rundwach' stehen die Engel auf...
Ich glaub' nicht, es sei der Boote
mit Netzen
Ganz einfacher Lauf...
W.Chodasewitsch.
+ + +
Die Bäume von dem
Kronwerk-Garten
Erheben den Lärm
im starken Wind,
Weder Entzücken noch die
Labsal'
Braucht man:
die Seele hat gespielt!
Sie sieht mit den furchtlosen
Augen
Ins nächst' Jahrtausend
nach diesen,
Erreichend mit den breiten Flügeln
Das feürgeflügelt'
Paradies'!
's ist alles dort so gross
und "songbar",
In jeder Hand gibt es die Harf'.
Der Geist mit'm Geist,
wie Wolken mit Wolken,
Lärmt aneinander bewundert Art.
Die Seel', die Reisend', tritt in uraltes
Für sie verwandtes Heim
ein
Und fürchterlichen Brüder
vorzeigt sie
Mit ihnen
ihre stolz' Gleichheit.
um Arme,
Der (Regen ist so kalt und schräg!)
vom Kronwerk Garten
sich schleppt.
Für arm's Gehör ist nicht
verständlich,
Der träg' Sinn... Er erreicht nicht
dies',
Was wird sie dort:
als Geist, als Genius,
In welch'm Inferno,
welch'm Paradies?
W.Chodasewitsch.
Helena Kusina.
Nicht Mutter, nein,
Sonst Bäürin
aus Tula,
Helena Kusina kümmert sich um mich,
mein' Amm'.
Sie wärmte Wicklbänder
über Liegen,
Segnet' in Nächten
gegen schlechten Traum.
Sie wusste keine Märchen,
keine Lieder,
Sonst hatte sie für mich
was Süsses gern,
In dem mit weissem Blech
beschlagnen Kisten
Bald Wias'm Gebäck
bald aus Minze-Pferd.
Sie lehrt' nicht mich
bekreuzigen,
Nicht
beten,
Aber sie gab mir -
ohne End' sogar -
Ihr' Mutterschaft,
so trübe und so bitter,
Und and're, was für sie
so wichtig war.
Einmal, dann fiel ich aus Zimmers
Fenster,
Stand lebend' auf
- erneut zur Welt erschien' -
Stellt' sie bei Iwerskaja Kirche
arme Kerze,
"Auf Wunder-Rettung" - Kerze
stellte sie.
...Jetzt - über Russland,
"Laute Macht
Russland"...
Ich, zitternd noch die Brust
mit meinen Lipp'n,
Schon saugte die peinlich'
quälend' Rechte
Verfluchend dich, und trotzdem
dich zu lieben.
In der ehr'nvollen Tat
Im Glück von
Liedergesängen,
Den ich in jedem Augenblick
erreich',
War mir als Lehrer
unser göttlich Genius,
Für mich wurd'
als Gebiet
Dein' zauberisch'
Sprach'!
In dem Vergleich
mit deinen schwachen Söhnen
Manchmal kann ich
Stolz haben,
kann stolz sein,
Dass ich dies' Sprach'
(die mir vererbt doch wurde),
Noch eifersüchtiger und lieber
bewahren kann.
Die Jahre lauf'n
ich brauch' keinen Morgen,
Vergangenheit
ist in der Seel' verbrannt...
Es gibt noch die
geheimnisvolle Freude,
Dass es für mich
Erholungsplatz auch gab,
Wo schläft
(ihr Herz ist schon von Würm'r gefressen,
Lassend unwesentlich
zu mir sein Liebesflamm') -
Dort, neben den Chodinkas Zaren Gästen
Helena Kusina,
Kein' Mutter,
sondern Amm'!
W.Chodasewitsch
Chodinka - ein weites Feld in der Nähe von Moskau. Dort stellte man Mährend der Zeit der Krönung des Zaren Nikolai 11 im Jahre 1894 dem Volk kostenlos Speisen zur Verfügung. Dabei wurden tausende von Leuten getötet.
Die verirrte Strassenbahn
Ich ging durch die unbekannten Orte,
Und hörte plötzlich den
Rabenschrei
Und Lutinies Klänge und weiten Donner:
Die Strassenbahn jagt' an mir
vorbei.
Wie bin ich auf den
Trittbrett aufgesprungen,
War es das Rätsel
auch für mich,
Aber die feurigen schmalen
Spuren
Blieb'n in der Luft
gar im Tageslicht.
Jagte er wie der Flügelschatten,
Er hat sich im Abgrund der Zeit'n
verirrt...
Halten Sie doch Ihren Wagen,
Schaffner!
Halten Sie sofort Ihren Wagen
mir!
Es ist zu spät: eine Wand abbiegend,
Fuhren wir schon durch den Palmen -
hain,
Newas durch, Nil und Senas -
ditto
Rollten wir, jagten -
ohne Halt!
Und flimmernd vorbei
an der Fensterscheibe,
Wirft armer Alter
scharf'n Blick
in die Spur.
(Natürlich genau derselbe Alte,
Vor ein Jahr gestorbener in Beirut!)
Wo bin ich? Ermattet
und ängstlich auch
Schlug in der Antwort
mein Herz, ereil'nd.
Siehst du den Bahnhof? Da -
sagt man, kann man -
Den Fahrschein
nach Hindies Geist erhalt'n.
Es ist ein Schild... (Die Buchstaben
blüten)
Und sagt es: "Grün' Laden!"
Ich weiss daran:
Hier statt des Schittkohls,
Und statt
Kohlschnitten
Die toten Köpfe
verkauft man.
Im roten Hemd,
mit'm Gesicht eu'terartig
Schnitt der Scharfrichter
auch mein'n Kopf ab...
Er legt ihn -
zusammen mit ander'n Köpfen -
In die Tiefe der glatten Kisten
hinab.
Dort, in der Gasse,
mit hölzernem Zaun,
Gibt's Haus - drei Fenster,
und graür Rasen...
Halten Sie an Ihren Wagen,
Schaffner,
Ihren Wagen anhalten
lass'n!
Du, Maschalein, grad' hier sangst
und lebtest,
Mir Bräutigam webte Teppich-Gab'.
Du hast keine Stimme mehr
und kein'n Körper...
Ich kann nicht glaub'n -
Du liegst im Grab!
Wie stöhntest du dann
in der kleinen Kammer,
Sonst - mit dem Zopf, voll dem Puder -
ich
Ging für die Annahme zu der Königin
Und auf Nimmer -
wiedersahen dich.
Jetzt hab'ich Verständnis:
unsere Freiheit
Ist's Licht
(und es kann
nur vom Himmel hell'n!)
Leute und Schatten
stehen vor'm Eingang
Zum Zoogarten der Wanderstern'!
Denn... Es ist
der Wind...
O wie süss und
bekannt er!
Hinter der Brücke,
Von weit,
aus der Fern'
Fliegt Reiters Handfläche
mit dem Eisenhandschuh
Und auch zwei Hufe von
seinem Pferd!
Als Fest'Orthodoxie, steht
Isakij,
Der wie die Skulptur, -
in die Höhe sich wirft...
Da dien' ich Gebet zu Gesungheit
Maschalein
Und auch die Seelenmesse
nach mir.
Und trotzdem mein Herz
Auf ewig betrübt ist,
Wie schwer ist zu atmen
und zu leben d'ran!
Du, Maschalein, ich dachte
niemals,
Dass man so traürn und
lieben kann!
N.Gumiljew.
Die Schmuggler
Durch Sterne, durch
Fische
Jagt Fähre
mit Schiffern,
Wo Griech'n nach Odessa
Die Schmuggelwaren
liefern:
Janaki, Stawraki
und Satiros-Papa,
Heb'nd auf rechte Seite,
von dem Abgrund schaffen.
Der Wind doch wild
schreit
Und er hat gar
gepfiffen!
Wie schlug er mit'm
Schaumwell'
Gegen Boot's Tiefe!
Doch klingelt, die Nägel!
Tön', die Kletterstange!
Es sind sicher' Sachen,
Es sind gute
Taten!
Lass'n die Meerswellen
mit Sternen besprengen:
Rum, Strümpfe,
Schutzmittel
Sozusag'n -
Profitberge!
Ach, Griechisches Segel,
Ach du, Schwarzes Meer,
Ach du, Schwarzes Meer,
Der Dieb ist fast
jeder!
Jetzt ist es halb zwölf,
Schwerster Zeitpunkt
der Nächte:
Die Finsternis, Wind
Und Grenzwach',
drei Grenzwächter.
Zu dreien Grenzwächter -
sechs Augen, Ohr'n,
Die sehen, die hören, - und ein Boot
mit'm Motor...
...Zu dreien sind Grenzwächter,
Die die Diebe
sehen...
"Senkt doch die Barkas'
In das ungläubig' Meer!"
Dass in dem
Tiefboden
Das Wasser
doch tönte!
Es sind gute Sachen!
Es sind gute Taten!
Lass'n durch alle Röhren
nach Heb'r und Motor,
Mit Wittanz beweg'nd,
Dringen Benzin in Startör
Ach, nächtlicher Sternfall!
Ach, du, Schwarzes Meer!
Ach, du, Schwarzes Meer!
Bald Dieb,
bald der Diebstahl!
Wie mochte ich auch -
im kommenden Finster',
Die Schnurrbärte
blasend,
Liegen, -
auf Boot hinten,
Verfolgen den Stern
Über bieg'nd'
Kletterstangen,
Mit Meerdialekten zerbrechen
die Stimme,
Und, sehend mit dem Falkenaugen,
horchen
Zu einem Schnellsprechen
des wachenden Startörs...
Es wär' sondern
besser:
Drückend einen Nagan,
Den Dieb zu verfolg'n,
In Nebel
weggegangen',
Und fühlen den Wind,
Gleitend durch Wogens
Welle
Gerad' in der Spur,
Auf Gestirn' fliegend'
Segel,
Und plötzlich -
ganz zufällig -
Neben mir
treffen -
Auf dem Boot -
den schnurrbärtigen Griechen...
Schläg doch auf Ader,
Wirf' dich bis zum
Himm'l,
Die sinnlose Jugend,
Voll wütenden
Grimm!
Läss menschliches Blut,
Wie die Sterne
im Wasser,
Sich schütteln...
und sein,
Wie die salzigen Schüsse.
Ich möcht', dass das Well'nvolk
Das Lied singen
konnt',
Und mit bösem Lied
Bog mein krümmender
Mund,
Um, schreiend, zu singen,
nicht atmend, nichts sehend:
"O du, Schwarzes Meer!
Und du, gutes
Meer!"
E.Bagritzkij.
Anhang
Marina Zwetajewa (1892-1941). Eine grosse russische Dichterin des 20. Jahrhunderts, die auf russische Dichtung stark beeinflusste. Sie war ein Opfer der Bolschewiken-Zeit (Selbstmord 1941). Sie hatte einen stürmischen Charakter. In jungen Jahren hat sie Deutschland sehr geliebt. Ebenso liebte sie Rostan, Byron und Napoleon.
Das Gedicht "Das Ufer des Albions..." stammt aus ihrer Jugendzeit. Der Stil ist für sie eher untypisch.
"Das Ufer des Albions hab' ich im Nebel verlassen..." - ist ein Zitat aus Batjuschkow (S.3.), dem literarischen Lehrer von Puschkin.
Ihre grossen Werke (1920 bis 1930) sind praktisch nicht passend zu übersetzen.
Konstantin Batjuschkow (1787-1855) war ein klassischer russischer- Dichter - ein aus den Vätern des russischen "Dolce Stil Nuovo" ("zährtlicher Batjuschkow"). Er hat früh Verstand verloren und er ist in diesem Zustand gestorben.
Michäl Lermontow (1814-1841) - ein grosser russischer Dichter und Prosaiker. Er ist während eines Dülls erschossen worden. Interessant ist, dass seine Gedichte ein bisschen Deutsch klingen. Und es ist kein Zufall, dass einige aus seinen Merke "aus Heine", "aus Göthe" stammen. Er war voll von Byron's Geist. Er schrieb auch sehr romantische Balladen. Eine davon ist "Tamara".
"Der Traum" - ist eins der letzten Gedichte Ler-montows. Er wurde einige Tage vor seinem Tod geschrieben.
Alexandr Puschkin (1799-1837). Der grosse russische Dichter. Er wurde im Verlaufe eines Dülls erschossen. Seine Sprache und sein Ausdruck waren vollkommen. Er ist der Schöpfer der literarischen russischen Sprache.
"Für Küsten deiner weiten Heimat..." ist Amalia Risnitsch gewidmet, welche aus Odessa nach Italien fuhr. Dort ist sie an der Schwindsucht gestorben.
Wasili Schukowskij (1783-1852) war der literarische Lehrer und guter Freund von Puschkin. Er übersetzte aus dem Deutschen und Englischen. Er ist der Autor von vielen Balladen (u.a. auch von Schiller).
Eugeni Baratinskij (1800-1844) war ein Zeitgenosse von Puschkin. Er war ein wunderschöner russischer Dichter. Für seine Gedichte sind Bitterkeit und Enttäuschung typisch.
Feodor Tuttschew (1803-1873) - der grosse russische Dichter und Diplomat, der Deutschland sehr liebte, hat in Europa seine zweite Heimat gefunden. Er heiratete zweimal - immer in eine deutsche Adelsfamilie. Er war ein Bekannter von Heinrich Heine. In seinen Werken kann man ohne Mühe seine Liebe zur bayerischen Landschaft, der Natur, den Gebirgen und Flüssen erkennen. Die besten Jahre seines Lebens verbrachte er in München. Ende des 19. Jh. wurde er praktisch neu entdeckt. "Begegn' ich Ihnen" - gewidmet der Baronin Amalia Krüdener, geborene von Lerchefeld aus München.
Aphanasi Föth (1820-1892) War der Sohn des deutschen Beamten Johann-Peter Föth aus Darmstadt. Seine Mutter kam ca. 2 Monate vor seiner Geburt nach Russland. Sie war die Geliebte und spätere Frau des russischen Gutsbesitzers A. Schenschin. Er hat mit Carolina-Charlotta zwei Jahre in wilder Ehe zusammengelebt. Nach dem Tode Schenschins wurde das Geheimnis der Herkunft Aphanasis gelüftet. Er verlor seinen Adelstitel und sein gesamtes Erbe. Erst kurz vor seinem Tod hat er seinen adeligen Familiennamen zurück bekommen. Der Familienname Föth blieb für ihn sein literarisches Pseudonym.
In der Geschichte der russischen Literatur war Föth einzigartig. Er hat bis zum Ende die Fahne für die grossartige Kunst hoch gehalten. Sogar in der Zeit, als die ganze Gesellschaft (Tolstoi eingeschlossen) für der "Volksidee" begeistert war. Er absolvierte das deutsche Gymnasium in Estland und war ein grosser Verehrer Schopenhaürs. Er war der Vorläufer des russischen Symbolismus.
Alexander Block(1880-1920) war der erste russische Dichter am Beginn des 20. Jh. Er wurde in St. Petersburg als Sohn einer Professorenfamilie geboren. Block ist der grösste Vertreter der russischen Symbolismus-Schule. Die Dichter - sogenannte Symbolisten - steckten in ihre Stärke viel Phantasie und Geheimnis, weit entfernt von der Wahrheit/Realität. Ihre Sprache war alt und gleichzeitig neu. Die Gestalten in den Gedichten ähnelten Theaterfiguren, z.B., "Schneemaske" oder "Die Unbekannte", das von einer Hure handelt.
Block suchte auch "die Musik" der Revolution. Er probierte die Revolution zu preisen. Aber die Revolution war sein Untergang. Block ist in 1921 in hungrigen St. Petersburg gestorben.
Wir zeigen hier einige Gedichte von ihm, die in verschiedenen Stilen geschrieben sind, das Gedicht "Todestänze" ist im Geist deutsch, und absolut nicht typisch für ihn.
Wladislaw Chodasewitsch (1886-1939) war ein ursprünglich russischer Dichter, der in 20 Jahren aus St. Peterburg nach Berlin und Paris geflohen ist, wo er auch starb. Er war ein typischer Literat, der versucht hatte, sich mit seinen Werken das Überleben zu sichern. Er war ein Feind des Kitsch, nämlich der Epigonen im Stile "a la Puschkin". Er benutzte die Stilistik des pötischen Barock im 18.-19. Jh. (G. Derschawin). Unglücklich, böse und immer arm, sang Chodasewitsch von Glück, von Begeisterung, also von seiner gegensätzlichen Seite. Er konnte wie kein anderer in der Erniedrigung die Grösse zeigen. In seinen Werken erkennen wir, wie seine Seele Flügel bekommt. Durch diese Bilder können wir die moderne Kunst geniessen.
Im Gedicht "Helena Kusina" - der Autor - - stolzer Pole - will sagen: "Weil die Bäürin aus Tula ihn mit der Zitze gefüttert hat, fühlt er sich zu der grossen russischen Kultur gehörig".
Er war immer als der Verteidiger der Reinheit der Sprache und von ziseliert klingenden Gedichten.
Nikolai Gumiljew (1836-1921) - stammt aus St. Petersburg. Er war ein Offizier der Armee und der erste Mann von Anna Achmatowa. 1921 wurde er von Bolschewiken erschossen.
Im Geist war er ein Vertreter des Akmesismus und im Alltag ein Symbolist. Er trug in seine Pösie die Bildermut und die Leidenschaft zur Exotik hinein. Man nennt ihn den "Reisenden in exotische Länder", denn er schrieb über Giraffen, Tiger und andere wilde Tiere. Sein bekanntestes Gedicht ist "Die verirrte Strassenbahn".
Edward Bagritzkij (1895-1934) war ein Dichter der Romantik. Er stammte aus Odessa und war im Bürgerkrieg im Süden dabei. Er war ein Aktivist und arbeitete mit den Bolschewiken zusammen. Aber später kamen zu ihm die Zweifeln und gar die Enttäuschung. Dieses floss in sein Gedicht "Gedanken von Opanas" ein. Er war der Verfasser der wunderschönen Balladen aus der Zeit des Bürgerkriegs.
Inhaltsverzeichnis.
Das Ufer des Albions (M.Zwetajewa)
Nekrolog (K.Batjuschkow)
Der Engel (M.Lermontow)
In dem wilden Norden (M.Lermontow)
Die Gebirgesgipfel (M.Lermontow)
Der Traum (M.Lermontow)
Tamara (M.Lermontow)
An das Meer (A.Puschkin)
Der verbrannte Brief (A.Puschkin)
Die Teufel (A.Puschkin)
Die Küsten deiner weiten Heimat (A.Puschkin)
Ein Schloss auf dem Meerstrand (W.Schukowskij)
Geschenkter Kuss (E.Baratinskij)
Die Versuchung (E. Baratinskjj)
Begegn' ich Ihnen (F.Tuttschew)
Der Sommerabend (F.Tuttschew)
Letzte Liebe (F.Tuttschew)
Unter atmendem Gewitter (F.Tuttschew)
An die russische Frau (F.Tuttschew)
Ich bin hier um zu erzählen (A.Föth)
Die Nacht war hell (A.Föth)
Du, im Morgenrot wecke sie nicht (A.Föth)
Der Schmetterling (A.Föth)
Wenn ich mit dem Leben gequält... (A.Föth)
Die Unbekannte (A.Block)
Erinn'rst du dich... (A.Block)
Todestänze (A.Block)
Betrachtend grob'n Handwerke...(W.Chodasewitsch)
Die Bäume vom Kronwerk-Garten (W.Chodasewitsch)
Helena Kusina (W.Chodasewitsch)
Die verirrte Strassenbahn (N.Gumiljew)
Die Schmuggler (E.Bagritzkij)
Anhang
Inhaltverzeichnis
Die Autorin dankt Dr. Inge Dietrich sowie Veronika Reimers und Christina Schmieder für ihre Hilfe bei der Entstehung dieses Buches.
© Inna Zagrajewski